Oder warum ich froh bin, eine arbeitstätige Mutter zu sein
Als ich schwanger wurde, habe ich darauf bestanden, so schnell wie möglich nach der Geburt wieder zurück in den sicheren Hafen meines täglichen Umfeldes zu kommen, der Menschen, die ich seit Jahren fast jeden Tag um mich habe, der Tätigkeiten, die ich gerne mache, die ich kann und die mir so viel bedeuten. Doch ich wurde darauf hingewiesen, dass sich das mit der Geburt schon ändern wird und ich von der großen Fee der Geburtsfreuden beglückt werden würde und ich sicher nicht zurück in mein eigenes Leben wollen würde.
Aus mir unerfindlichen Gründen hat diese Geburt, die im Geburtshaus und mit unglaublich liebevoller Unterstützung meines Mannes stattfand, rein gar nichts an meinen Vorstellungen vom Leben geändert. Das Erste was ich gemacht habe, als das nackte Ding geschlafen hat, war meine neue Nähmaschine auszuprobieren! Veränderungen brauchen Zeit, das weiß ich jetzt. Und die darf man sich auch nehmen. Das Kind hat keinerlei Ansprüche, außer sich sicher zu fühlen (und das geht zum Glück im Tragetuch beim Nähen oder an der Brust mit dem Laptop dahinter).
Dann kamen die schrecklichsten Höllenqualen, die das Stillen mir eingebracht haben. Mein Kind nicht zu stillen war keine Option, egal wie schmerzhaft. Damit wurde ich lahmgelegt. Ich konnte nicht mehr funktionieren, mein Mann musste die Windeln wechseln, er musste das Kind Nachts rumtragen. Ich konnte nicht mehr.
Ich wollte noch mehr zurück, zurück nach Hause in die technische Welt, die mir seit so vielen Jahrzehnten so vertraut ist und nicht hier in den Schmerzen, der Unsicherheit, der Hilflosigkeit sein.
Meine Freundin gab mir den Tipp mich mehr mit meinen Hormonen anzufreunden, die mir einen großen Teil der Denkarbeit erleichtern können. Ich tat mein Bestes

Bindung aufbauen, mit dem Monster, das einen täglich quält? Schwer. Heute weiß ich, Bindung braucht Zeit. Erziehungsintuition ist beim Homo sapiens fast nicht vorhanden. Nur Erfahrung hilft im Umgang mit Kindern.
Nach 6 Monaten durfte ich endlich wieder zurück

Mein Mann übernahm die Ganztagesbetreuung des kleinen Wurms. Ich pumpte Milch auf der Arbeit ab, er fütterte sie zuhause. Ich arbeitete erst mal nur 20h/Woche. Ich habe erst nach dem ersten Geburtstag und der gesicherten Vollzeitbetreuung (10h am Tag!!!) auf 30h/Woche aufgestockt und da bin ich jetzt noch.
Wir fahren ein 30/30 Model (jeder arbeitet nur 30h/Woche), damit wir beide arbeiten UND zuhause sein können. Wir teilen uns die Betreuung. Mein Mann macht ein bisschen mehr von der eins-zu-eins Betreuung (füttern, baden, spielen, abholen) und ich mache mehr die Planungstätigkeiten (Klamotten kaufen, Essen organisieren, Erziehungsgrundlagenforschung). Außer der Wirbelwind hat sich wehgetan, erschreckt oder/und ist müde, dann kann Mama besser trösten. Dafür weiß ich bis heute nicht, wie das Kind zum Schlafen zu kriegen ist. Mein Mann packt den teils zeternden Floh ins Tragetuch und 5 Minuten später haben wir ein friedlich schlafendes Kind auf dem Sofa liegen.
Ich finde es immer noch bewundernswert, wenn Frauen das schaffen, sich da voll einzuklingen und einfach nur da zu sein, einfach Mama, fertig

Ich kenne solche Frauen, an die würde ich mich am Liebsten ankuscheln und für immer mit am Tisch sitzen! Aber ich kenne auch die Frauen, die zuhause sind, weil sie weniger verdienen, und es keinen Sinn macht, wenn sie arbeiten, und damit zuhause sich selber, dem Kind und dem Mann keinen guten Dienst tun. Was bringen die paar Kröten im Jahr mehr, wenn man am Ende in Altersarmut versinkt weil man sich seinem Partner entfremdet hat und geschieden allein da sitzt (die Kinder sind einer Mutter, die eigentlich keinen Bock auf sie hat, nämlich auch nicht dankbar). Das sehe ich zuhauf bei den Rentnerinnen in meiner Familie.
Ich habe Glück gehabt, mein Mann und ich haben schon immer alles aufgeteilt. Er ist umgeben von starken Frauen aufgewachsen, er zieht keine Befriedigung aus der Alleinversorgerrolle. Die Tagesmutter wird von ihrer Schwester und sogar teilweise von ihrem Freund (der im gleichen Haus wohnt) unterstützt, alle 3 sind mit voller Hingabe dabei. Mein Wonneproppen hat nun 4 Geschwister, die ihm sooo gut tun. Ich bin immer traurig, wenn ich meinen Spatz abholen muss. Die einzige schwere Zeit war die Eingewöhnung, und da hab ich auch dazugelernt: Ich glaube, das war ganz allein ich, die die Situation nicht einschätzen konnte und darum hat das Kind Trennungsangst verspürt. Kaum war die Tür zu und das Kind im Kreis der anderen Kinder, so sagte man mir, war ich vergessen. (Und das war genau das, was ich in der Eingewöhnung vor Ort schon gesehen habe). Wir sind keine einfachen Kunden: Stoffwindeln, vegan,... und trotzdem sagen mir beide Frauen, wie schön es ist, unseren kleinen Sonnenschein zu betreuen. Außerdem habe ich sehr tolle Schwiegereltern (100 km weg), zu denen wir immer fahren können und das Kind einfach abgeben können. Früher haben wir uns dann einfach ins Bett geschmissen und gepennt. Heute nähe ich, beantworte Mails,... Wenn alle Stricke reisen, kommen sie auch mit Wohnmobil an und betreuen das Kind, wenn wir beide beruflich eingebunden sind.
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie schön es ist, zu sehen, dass nicht nur mein Mann, sondern auch meine Schwiegereltern und die Tagesmutter ein so inniges Verhältnis zu dem Kind haben. Es lernt durch jede Interaktion neue Dinge und die Welt ein bisschen besser einschätzen. Außerdem bin ich nicht immer der Hauptansprechpartner bei jedem Gebrüll und darf auch mal fertigpinkeln oder duschen
Ich möchte allen Eltern sagen, dass ich glaube, es bringt dem Kind nix, wenn ihr euch aufopfert! Kümmert euch vorrangig um eurer Glück. Geht Joggen, geht Arbeiten, geht Feiern. Macht ein Spiel aus dem Aufräumen oder dem Wäscheaufhängen für das Kind (meins darf die Sachen ausschütteln), anstatt das 20te Mal den Bauklotzturm wieder aufzubauen. Findet geneigte Menschen, die euch helfen, die Erziehungslast zu tragen (es braucht mindestens 3 Erwachsene
pro Kind!). Ihr seid die Vorbilder eurer Kinder, wenn ihr nicht glücklich mit eurer Situation seid, werden sie es nur schwer lernen können. Findet raus, was ihr braucht um glücklich zu sein und arbeitet am erfüllen eurer Träume!